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Cannabis-Freigabe wird kommen Warum kontrolliertes Kiffen besser ist

Cannabis ist in Deutschland die am häufigsten konsumierte illegale Droge.

Cannabis ist in Deutschland die am häufigsten konsumierte illegale Droge.

Foto: Orestis Panagiotou/ dpa

Die Forderung nach einer Legalisierung von Cannabis-Produkten hat in den letzten Wochen Unterstützung von unerwarteter Seite erhalten. Dass der Grünen-Politiker Dieter Janecek die Freigabe fordert, mag vielleicht weniger überraschen. Dass jedoch auch der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Joachim Pfeiffer, eine Liberalisierung fordert, hat viele Beobachter verblüfft. Und auch die FDP hat auf ihrem jüngsten Bundesparteitag mit deutlicher Mehrheit für die staatlich regulierte Freigabe von Cannabis gestimmt. Es dürfte somit nur noch eine Frage der Zeit sein, bis es tatsächlich zu einer Liberalisierung des Cannabis-Marktes kommen wird.

Zahlreiche Ökonomen (wie etwa die Nobelpreisträger Milton Friedman, George Akerlof und Vernon Smith ) wie auch über 120 deutsche Strafrechtsprofessoren vertreten schon lange die Forderung nach einer kontrollierten Drogenfreigabe. Der Grund dafür ist nicht etwa, wie die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, vermutet, dass die Befürworter einer Liberalisierung die Wirkungen weicher Drogen verharmlosen würden. Das Gegenteil ist der Fall: Ich bin bestens darüber informiert, wie gesundheitsschädlich der Drogenmissbrauch ist. Und geradezu perfide ist die Unterstellung des Vizechefs der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler, der sagte : "Wer Cannabis legalisiert, stellt die Geschäftemacherei über die psychische Gesundheit."

Die Argumentation mit Unterstellungen dieser Art zeigt vor allem eines: Den Befürwortern der Prohibition gehen die sachlichen Argumente aus. So wie FIFA-Präsident Blatter nicht wahrnehmen will, dass die FIFA ein riesiges Korruptionsproblem hat, scheinen auch die Befürworter der Cannabis-Prohibition Wahrnehmungsprobleme zu haben: Die bisherige Drogenpolitik ist auf ganzer Linie gescheitert: Es ist heute faktisch überhaupt kein Problem sich in Deutschland Drogen zu besorgen und diese zu konsumieren. Die entsprechenden Parks, Clubs und Viertel deutscher Großstädte sind bestens bekannt. Und wem das nicht bekannt ist, dem hilft eine einfache Google-Suche. Wer nicht wahrnimmt, dass fast alle deutschen Großstädte heute eine mehr oder minder offene Drogenszene haben, muss wohl selbst etwas rauchen, könnte man meinen.

Von der Prohibition profitiert heute allein das organisierte Verbrechen

Natürlich ist es auch richtig, dass der Konsum von Cannabis zunächst einmal Schäden bei den Konsumenten selbst auslöst und - anders als etwa der übermäßige Alkoholkonsum - deutlich weniger Aggressionen bei den Kiffern auslöst, sodass sich natürlich die Frage stellt, warum der Cannabiskonsum gleich verboten werden muss. Tabak und Alkohol werden - zum Glück - auch nicht verboten. Stattdessen wird über die schädlichen Folgen des Tabak- und Alkoholkonsums aufgeklärt und der Konsum wird besteuert. Die mangelnde Gleichbehandlung ist aber gar nicht das Hauptargument der Befürworter einer kontrollierten Cannabis-Freigabe.

Das Hauptargument liegt vielmehr darin, dass der Staat durch die Prohibition faktisch jegliche Kontrolle über den Markt verloren hat. Ein wesentliches Problem besteht heute darin, dass weiche und harte Drogen oftmals bei denselben Dealern gekauft werden können. Weil die Margen bei harten Drogen höher sind (da sie nicht selbst angebaut oder produziert werden können), haben Dealer hohe Anreize, die Konsumenten weicher Drogen zum Umstieg auf harte Drogen zu motivieren, sie "anzufixen". Bei einer Legalisierung weicher Drogen entfiele dieses Problem weitgehend. So wie mein Wein- oder Tabakhändler mich nicht zum Kauf illegaler Produkte verleiten will, würde mich auch ein legaler Cannabis-Händler nicht mehr zum Umstieg auf illegale harte Drogen animieren wollen. Zugleich könnte der Staat bei legalen Cannabisprodukten Qualitätsvorgaben machen, Händler und Produzenten lizenzieren und überprüfen und nicht zuletzt Steuereinnahmen generieren. Die Politik im US-Bundesstaat Colorado  kann hier als Vorbild dienen. Zugleich entfielen die Kosten der Strafverfolgung durch Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte. Amerikanische Ökonomen haben die Summe auf steuerliche Mehreinnahmen und Kosteneinsparungen auf 10-14 Milliarden Euro  geschätzt. Ein analoger Betrag von 2-3,5 Milliarden Euro für Deutschland, den das Institut der Deutschen Wirtschaft errechnet hat, scheint da durchaus plausibel.

Natürlich ist zumindest theoretisch denkbar, dass bei einer Legalisierung von Cannabis der Konsum zunimmt. Wahrscheinlich ist dies jedoch nicht, wie gerade Erfahrungen aus den Niederlanden und auch anderen Staaten zeigen. Zum einen entfällt der Reiz des Verbotenen, zum anderen kann sich schon heute fast jeder in Deutschland problemlos Cannabis-Produkte besorgen. Nur sind das heute Produkte von oftmals zweifelhafter Qualität, verkauft von dubiosen Händlern ohne staatliche Aufsicht, die zugleich Anreize haben, die Konsumenten zum Kauf harter Drogen zu animieren. Was an diesem System, das sich eben nicht zufällig, sondern zwangsläufig durch die Prohibition entwickelt, vorteilhaft sein soll, ist absolut schleierhaft. Wie Erfahrungen weltweit zeigen, ist es zudem eine Illusion zu glauben, durch noch mehr Polizei und Haftstrafen, das Problem lösen zu können. Genau diese Politik ist weltweit gescheitert. Von der Prohibition profitiert heute allein das organisierte Verbrechen. Verantwortungslos handeln daher nicht die Befürworter der Liberalisierung, sondern die vermeintlichen Drogenexperten, die vor der Realität die Augen verschließen und versuchen eine sachliche Diskussion über die richtige Drogenpolitik abzuwürgen, indem sie den Befürwortern einer Legalisierung unlautere Motive unterstellen.

Justus Haucap ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Gründungsdirektor des Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE) und war bis 2012 Vorsitzender der Monopolkommission.

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